Sperre? Ziel komplett verfehlt!
Aufgrund einiger Nachfragen will ich versuchen darzulegen, warum der Versuch deutscher Behörden, das Aufrufen des Hamsters aus Deutschland heraus zugunsten des Jugendschutzes durch eine simple DNS-Sperre zu unterbinden, leider nur Zeit- und Geldverschwendung war. Denn immerhin betreiben sie das Verfahren ja nun schon mehrjährig, aber herausgekommen ist nur ein zahnloser, schon im Schredder verschwundener Papiertiger.
Begriffsklärung:
1.) Netz-Provider/Internet-Provider: Das sind die Anbieter wie 1&1, Vodafone und Co. bei denen wir unsere DSL-Verträge abschließen. Sie stellen uns die Leitung ins Internet bereit und bieten uns auch einen DNS (s. u.) an, den wir nutzen können, aber nicht nutzen müssen.
2.) Hosting-Provider: Das sind Dienstleister, die Speicherplatz für Websites wie den Hamster bereitstellen.
3.) DNS (Dynamic Name Server): Sie sorgen dafür, dass unser Aufruf von z. B. "xhamster.com" zu genau dem Server des Hosting-Providers geleitet wird, auf dem die Inhalte des Hamsters liegen. Dazu übersetzen sie unseren Wunsch "xhamster.com" in die IPv4-Adresse der Domain (xxx.xxx.xxx.xxx) oder deren IPv6-Pendant, über die wir dann den Server direkt erreichen.
Was hat die Medienaufsicht getan?
Sie hat eine Sperrverfügung gegen die großen fünf Internet-Provider erwirkt, die (nur!) diese verpflichtet, die (Sub-) Domain de.xhamster.com für "ihre KundInnen" zu blockieren. Das hatte ein Teil der fünf Provider am 10. März dann auch schon umgesetzt. In Form einer DNS-Sperre mit der Folge, dass Teile der KundInnen dieser Provider beim Aufruf von de.xhamster.de nicht mehr die eigentliche Adresse des Hostingproviders zurück gemeldet bekamen, also keine Inhalte der (Sub-) Domain mehr sehen konnten.
https://netzpolitik.org/2022/netzsperre-fuer-pornoseite-xhamster-fuehrt-medienaufsicht-vor/
Warum ist so eine Sperrverfügung nicht einmal das Porto wert?
1.) Die Internet-Provider stellen zwar als Serviceleistung - und weil es bei ihnen externen Traffic spart - auch eigene DNS-Server bereit, die in der Regel (z. B. beim automatischen Einrichten eines Routers) als Standard-DNS-Server voreingestellt werden. Und nur gegen diese eigenen DNS-Server der deutschen Internet-Provider kann die Sperrverfügung rechtlich greifen!
Niemand muss sie aber nutzen; jeder ist frei, alternativ auf ganz andere, providerunabhängige DNS-Server zuzugreifen, die von der Sperrverfügung nicht betroffen sind. Derer gibt es viele! Auch Google bietet z. B. schnelle DNS-Server an. Einfach mal eine Websuche anschieben nach public dns server.
Meine persönliche Wahl ist aktuell adguard.com, da dort DNS-Server kostenlos zur Verfügung gestellt werden, die eine Menge unerwünschter Werbung gar nicht erst auf den Rechner gelangen lassen, wo sie dann im Nachhinein lokal mit Hilfe von AdBlockern und Co. ausgeblendet werden müsste. Weiterer Vorteil: AdGuards DNS-Server funktionieren auch auf dem Mobiltelefon, können dort z. B. in kostenlosen Apps die Werbeflut spürbar reduzieren.
AdGuard stellt hier für alle möglichen Betriebssysteme leicht verständliche Anleitungen zur Einrichtung auf Deutsch zur Verfügung:
https://adguard-dns.com/de/public-dns.html
Und wer mehr wissen will zum Thema DNS und DNS-Sperren, findet hier - ebenfalls auf Deutsch - jede Menge fundierte Infos:
https://adguard.com/de/blog/dns-content-blocking-at-scale.html
2.) In so einer Sperrverfügung muss benannt sein, welche Domains die paar wenigen Internet-Provider ihren KundInnen nicht mehr zugänglich machen dürfen. Und hier wird es jetzt absurd. Gleich aus drei Gründen.
2.1) Zum einen betrifft die Sperrverfügung nicht etwa die First-Level-Domain xhamster.com, sondern nur die Sub-Domain de.xhamster.com. Das hat sich der Hamster blitzschnell zu Nutze gemacht, hat die deutsche Unterseite kurzerhand umbenannt: aus de.xhamster.com wurde im Handumdrehen die Subdomain deu.xhamster.com, die in der Sperrverfügung nicht genannt ist. Und schon war der Hamster wieder offen. Ein Spielchen, das der Hamster bis Sankt Nimmerlein spielen kann und immer gewinnen wird, weil die Einrichtung einer neuen Subdomain nur Minuten kostet, während die Medienaufsicht Monate und Jahre brauchen wird, um auch neue Sub-Domains in die Sperrverfügung einbeziehen zu können.
2.2) Zum anderen muss man aber auch verstehen, wer denn überhaupt auf die gesperrte Sub-Domain de.xhamster.com geleitet wurde oder jetzt auf die neue, offene deu.xhamster.com geleitet wird! Das ist nämlich einzig und alleine davon abhängig, welche Sprach-Version man ganz oben in der Menüleiste des Hamsters (rechts vom Suchfeld) auswählt. Es reicht völlig aus, dort Englisch als Sprache anzugeben, und schon landet man nicht mehr auf der gesperrten Übersetzungs-Variante in Deutsch, sondern auf dem Hamster-Original in Englisch (xhamster.com ohne Sub-Domain). Einziger Nachteil: dat is' dann halt in Englisch.
2.3) Nun könnte die Medienaufsicht ja noch auf die Idee kommen, nicht nur gegen Sub-Domains vorzugehen, sondern eine Sperrung der First-Level-Domain xhamster.com zu erwirken. Ich habe keine Ahnung, ob das rechtlich möglich wäre. Aber selbst wenn: sie kämen schon wieder viel zu spät mit einem viel zu stumpfen Schwert! Denn der Hamster ist längst nicht mehr nur unter xhamster.com zu erreichen. Probiert mal https://xhamster2.com/ oder https://xhamster.desi/ aus. Beide sind Adressen, die von der Sperrverfügung nicht betroffen sind, aber eins zu eins den originalen Hamster zeigen.
Was also tun, um solchen Sperren zu entgehen?
1.) Den DNS-Server des eigenen Internet-Providers umstellen auf einen freien, öffentlichen DNS-Server
2.) Im Hamster eine andere Sprache als Deutsch einstellen
3.) Ggf. den Hamster über alternative First-Level-Domains aufrufen
Alles ist gratis, kostet keinen Cent, braucht keine aufwändigere Lösung wie z. B. ein VPN.
Warum fühle ich mich nicht recht wohl mit diesem (Technik-) Beitrag?
Ich lebe gerne in diesem Land, schätze es, dass wir uns zugunsten des Gemeinwohls Regeln geben. Ich finde es richtig, dass es Geschwindigkeitsbegrenzungen gibt, bin froh, dass sich nicht jeder ohne Prüfung und Erlaubnis in ein Auto setzen darf, dass es sehr schwer ist, an Feuerwaffen zu gelangen, und nicht schon 13-Jährige Alkohol kaufen können.
Ebenso stehe ich absolut dahinter, dass im frei zugänglichen Fernsehen keine Pornos laufen und auch die Print-Medien strengen Regularien unterliegen in der Frage, wie "freizügig" sie in sexueller Hinsicht agieren dürfen. Jugendschutz ist ein hohes Gut für mich.
Gewiss - man kann wohl trefflich darüber streiten, ob die Grenze für den Porno-Konsum immer noch bei 18 Jahren liegen muss oder vielleicht auf z. B. 17 oder 16 Jahre abgesenkt werden könnte. Wer der Auffassung ist, dass 16-Jährige "reif" genug zum Wählen seien, müsste sie wohl folgerichtig auch als reif genug zum Porno-Konsum ansehen?
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Aber irgendwo muss sie liegen, diese Grenze! Und deshalb brauchen wir WIRKSAME (!) Jugendschutz-Mechanismen auch im Web endlich unbedingt.
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Ich schreibe diesen Beitrag also nur, um den mehrjährig teuer vorbereiteten Hurz, der nicht einmal für drei Stunden vermochte, ein paar Wenigen den Zugriff auf den Hamster kurzzeitig zu vermiesen, verständlich zu machen. Die Absicht der Medienaufsicht war ehrenwert! Doch die Umsetzung war einfach nur peinlich.
2 роки(-ів) тому
Eigentlich wollte ich die Begriffsklärung von DNS noch überarbeiten (da war ich für meinen eigenen Anspruch rückblickend zu wenig präzise, finde ich), aber die positiven Rückmeldungen lassen mich denken, dass die jetzige, vereinfachte Version wohl doch ausreicht für das Verständnis. Und nur darum ging es mir. Wer dann wirklich noch mehr wissen will zum Thema DNS, findet bei AdGuard ja einen wirklich fundierten Einstieg in das Thema.